Die Teilzeitquote ist in Deutschland aktuell auf einem Rekordniveau. Mehr als 39 Prozent der Beschäftigten arbeiten nicht mehr in Vollzeit. Bei berufstätigen Frauen liegt der Anteil einer Teilzeitbeschäftigung seit vielen Jahren sogar bei knapp 60 Prozent. Dennoch sind zahlreiche Rechtsprobleme im Zusammenhang mit einer Tätigkeit in Teilzeit derzeit noch nicht abschließend entschieden. So stellt sich im Zusammenhang mit der Teilzeitbeschäftigung unter anderem immer wieder die Frage nach einer möglichen Entgeltbenachteiligung. Erhalten Vollzeit- und Teilzeitkräfte ein unterschiedlich hohes Arbeitsentgelt, kann dies sowohl eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten als auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellen. Der EuGH sorgte mit seinem Urteil vom 29.07.2024 (C-184/22 und C-185/22) nun für Klarheit in der bisher umstrittenen Frage der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen.
Entgeltbenachteiligung: Auf eine Ungleichbehandlung kommt es an
Das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG und seine unionsrechtliche Entsprechung in § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit schützt Arbeitnehmer mit einer Teilzeitbeschäftigung vor einer Diskriminierung aufgrund ihrer verringerten Arbeitszeit. Aufgrund der hohen Frauenquote unter den Teilzeitbeschäftigten stellt eine Benachteiligung von Teilzeitkräften oftmals auch eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts verstößt grundsätzlich gegen die §§ 7, 3 Abs. 2 AGG. Aber auch § 3 EntgTranspG sowie Art. 3 GG verbieten auf nationaler Ebene eine mittelbare Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts. Allen diesen Normen ist dabei gemein, dass sie eine Diskriminierung oder Benachteiligung verbieten, wenn es hierfür keine sachliche Rechtfertigung gibt. Eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter setzt demnach stets voraus, dass diese gegenüber in Vollzeit tätigen Kolleginnen oder Kollegen ungleich behandelt werden und dies ohne sachlichen Grund erfolgt.
Benachteiligung in der Teilzeitbeschäftigung bei Überstundenzuschlägen
Eine Entgeltbenachteiligung von Arbeitnehmer in Teilzeit wurde in zahlreichen Urteilen und Literaturbeiträgen im Zusammenhang mit der Vergütung von Überstunden diskutiert. In dieser Frage schafft der EuGH nun Rechtsklarheit. So hat der EuGH am 29.07.2024 (C-184/22 und C-185/22) in einem vom BAG vorgelegten Fall entschieden, dass ein Tarifvertrag, der die Zahlung von Überstundenzuschlägen bei einer Teilzeitbeschäftigung nur für die Arbeitsstunden vorsieht, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten hinaus gearbeitet werden, sowohl eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten darstellt als auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Gegenstand des Verfahrens war ein mit ver.di geschlossener Firmentarifvertrag, der für einen bundesweit tätigen Anbieter von Heimdialyse galt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden. Ausdrücklich sollten Zuschläge für Überstunden von 30 % nur für „Überstunden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden“, gewährt werden. Die in Teilzeit beschäftigten Klägerinnen machten mit ihrer Klage Überstundenzuschläge für jede geleistete Überstunde, die über ihre vertragliche Arbeitszeit hinaus ging, und zugleich eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG wegen unzulässiger Diskriminierung geltend.
Nicht jeder Zweck rechtfertigt eine Ungleichbehandlung
Der EuGH hat sowohl die unzulässige Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten als auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts festgestellt. Der EuGH stellt fest, dass eine teilzeitbeschäftigte Pflegekraft die gleiche Anzahl an Stunden arbeiten müsse, wie eine vollzeitbeschäftige Pflegekraft, um Überstundenzuschläge zu erhalten. Dies gelte insbesondere unabhängig von der individuellen, im Arbeitsvertrag vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit. Überstundenzuschläge seien daher für Teilzeitbeschäftigte deutlich schwerer zu realisieren. Die Festsetzung einer einheitlichen Untergrenze für Überstundenzuschläge stelle daher für teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte eine größere Belastung dar. Die vollzeitbeschäftigte Pflegekraft erhalte bereits für die erste Überstunde den Zuschlag, während dies bei der teilzeitbeschäftigten Pflegekraft nicht der Fall sei.
Diese Ungleichbehandlung sei auch nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei das Ziel der Tarifparteien, den Arbeitgeber grundsätzlich davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in den Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, kein geeigneter sachlicher Grund. Für Mitarbeiter mit einer Teilzeitbeschäftigung bewirke diese Regelung vielmehr das Gegenteil dessen, was damit erreicht werden soll. Der Arbeitgeber erhalte einen Anreiz, Überstunden eher bei Teilzeitbeschäftigten anzuordnen.
Teilzeitbeschäftigung: Mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts
Darüber hinaus liege eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vor. Der EuGH stellte dabei insbesondere klar, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bereits dann vorliegt, wenn die Regelung unter den Teilzeitbeschäftigten signifikant mehr Frauen als Männer benachteiligt. Es sei dann für die Feststellung der Diskriminierung nicht mehr erforderlich, dass gleichzeitig unter den Vollzeitbeschäftigten erheblich mehr Männer als Frauen seien. Es sei ausreichend, wenn sich eine Regelung innerhalb der Gruppe der teilzeitbeschäftigen Mitarbeiter faktisch zu Lasten von Frauen auswirke.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG die Entscheidung des EuGH umsetzen wird. Der EuGH stellt klar, dass die Rechtfertigung davon abhängt, welches Ziel die Tarifvertragsparteien mit einer Überstundenregelung verfolgten. Auch wenn die Rechtfertigung im vorliegenden Fall den EuGH nicht überzeugte, ist weiterhin denkbar, dass eine sinnvolle Rechtfertigung einen ausreichenden sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten darstellen könnte. Zudem bleibt spannend, ob das BAG den Klägerinnen auch eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusprechen wird.