Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers verjährt nicht so schnell, oder doch? Damit setzte sich kürzlich der Generalanwalt des EuGH auseinander. Normalerweise sollte ein Jahresurlaub im aktuellen Jahr genommen werden. Allerdings kommt es häufiger vor, dass man Urlaubstage nicht über das Jahr verteilt bekommt oder der Arbeitnehmer den Urlaub schlicht nicht beantragt (nimmt) und die Urlaubstage in das nächste Kalenderjahr übertragen werden. Der Generalanwalt des EuGH stellt nun in seinem Schlussantrag klar, dass die Verjährungsfrist von drei Jahren eines Urlaubsanspruchs erst zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit nachgekommen ist.
Was war passiert?
Im deutschen Ausgangsverfahren machte eine Arbeitnehmerin 2018 die Abgeltung von Resturlaubsansprüchen der Jahre 2017 und davor geltend. Die Arbeitnehmerin hatte im Jahr 2011 und in den Vorjahren ihre 24 Urlaubstage aufgrund des hohen Arbeitspensums nicht komplett genutzt. Anfang 2012 teilte ihr der Arbeitgeber mit, dass ihre insgesamt 76 Resturlaubstage nicht am 31. März 2012 verfallen würden, wie es sonst üblich wäre. Aber auch danach nutzte sie ihren Urlaub nicht und wurde dazu auch nicht durch den Arbeitgeber aufgefordert. Der Arbeitgeber wies die Arbeitnehmerin auch nicht darauf hin, dass ihr nicht genommener Urlaub verfallen könnte. Später verlangte die Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen. Der Arbeitgeber verweigerte dies jedoch mit der Begründung, dass die Tage verfallen seien. Die Arbeitnehmerin ist der Ansicht, dass der geltend gemachte Urlaubsanspruch aufgrund der Verletzung der Hinweisobliegenheit des Arbeitgebers nicht verjährt sei und dass sie daher dessen Abgeltung verlangen kann.
Das erstinstanzliche ArbG Solingen wies die Klage der Arbeitnehmerin aufgrund der Verjährung ab. Das LAG Düsseldorf gab ihr hingegen recht. Aufgrund der arbeitgeberseitigen Revision legte das BAG dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Das BAG bittet um Klärung, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gestatte, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.
Laut Generalanwalt des EuGH: Keine Verjährung des Urlaubsanspruchs!
Angemessene Ausschluss- oder Verjährungsfristen wie eine Frist von drei Jahren sind laut Generalanwalt des EuGH nicht zu beanstanden. Allerdings darf der Lauf der Verjährungsfrist von drei Jahren nicht allein aufgrund der Kenntnis des Arbeitnehmers vom Bestehen seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub ausgelöst werden. Vielmehr muss der Arbeitnehmer – laut Generalanwalt – zuvor hingewiesen worden sein, wie viel Urlaub ihm insgesamt noch zusteht. Der Generalanwalt betont, dass daher die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit nachgekommen ist. Die Hinweisobliegenheit ist insbesondere deshalb von großer Bedeutung, da der Arbeitnehmer die schwächere Partei im Arbeitsverhältnis sei, so der Generalanwalt. Ohne vorherigen Hinweis auf einen Urlaubsverfall wird der Effektivitätsgrundsatz verletzt, wenn dadurch die Verjährung droht.
Fazit
Es ist zu erwarten, dass die Richter des EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts folgen werden. Auf viele Unternehmen könnte dann regelrecht eine „Flut“ von Klagen auf Urlaubsabgeltung ihrer Arbeitnehmer zukommen, wenn diese nach der Rechtsprechung des BAG ihrer Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen sind. Hier besteht für die Zukunft ein hohes Konfliktpotenzial.
Arbeitgebern ist daher zu raten, darauf zu achten, gegenüber ihren Arbeitnehmern entsprechende Hinweise in Bezug auf den Resturlaub und dessen drohendem Verfall zu geben sowie diese aufzufordern, diesen rechtzeitig zu nehmen. Dieser Hinweis sollte ausdrücklich erfolgen. Arbeitgeber sollten zum Ende des dritten Quartals alle Urlaubskonten prüfen und die Mitarbeiter explizit auffordern, den Resturlaub für das laufende Kalenderjahr bis Jahresende zu verbrauchen. Eine entsprechende Dokumentation seitens des Arbeitgebers ist zu empfehlen.