Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsparteien sind nicht selten. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht in einzelnen Fällen zur Beilegung der Differenzen die Errichtung einer Einigungsstelle als Schlichtungsverfahren vor.
Anlass und Fälle
Das Einigungsstellenverfahren kann in Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, auf Antrag einer Seite durchgeführt werden (§ 76 Abs. 5 S. 1 BetrVG). Das ist zum Beispiel bei den in der Praxis sehr wichtigen Mitbestimmungsrechten in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG, bei einzelnen Beteiligungsrechten im Zusammenhang mit der Berufsbildung (§§ 96 ff. BetrVG) oder bei der Pflicht zur Verhandlung eines Sozialplans nach §§ 112, 112a BetrVG der Fall. Auch bei Fragen der Arbeitsbefreiung von Betriebsratsmitgliedern (§ 37 Abs. 2 BetrVG), der Beschwerde eines Arbeitnehmers (§ 85 Abs. 2 BetrVG) oder der Erteilung von Auskünften in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 109 BetrVG) sind erzwingbare Einigungsstellen möglich. In diesen Fällen kann die Errichtung der Einigungsstelle von jeder Betriebspartei erzwungen werden. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen den Betriebsparteien. Die Kosten der Einigungsstelle hat das Unternehmen zu tragen.
Vorheriger Versuch der innerbetrieblichen Einigung
Bevor beim Arbeitsgericht die Errichtung der Einigungsstelle beantragt werden darf, muss eine innerbetriebliche Einigung zwischen den Betriebsparteien über den Regelungsgegenstand versucht werden. Diese Verhandlungen müssen gescheitert sein. Ob dies der Fall ist, ist aus Sicht der Betriebspartei zu beurteilen, die das Einigungsstellenverfahren durchführen möchte. Ein Scheitern wird angenommen, wenn nach subjektiver Einschätzung einer der beiden Verhandlungsparteien eine Regelung nicht ohne fremde Hilfe möglich sein wird. Das kann auch der Fall sein, wenn eine Seite Verhandlungen von vornherein ablehnt oder andere Anhaltspunkte vorliegen, die die Verhandlungen als aussichtslos erscheinen lassen.
Errichtung auf Antrag
Details zur Einigungsstelle sind gesetzlich nicht vorgegeben. Es obliegt daher dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, sich auf eine gleiche Anzahl von Beisitzern und einen zusätzlichen unparteiischen Vorsitzenden zu einigen (76 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Scheitert eine Einigung der Betriebsparteien über die Errichtung der Einigungsstelle außerhalb eines Gerichtsverfahrens (z.B. wegen der unterschiedlichen Ansichten über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden oder die Anzahl der Beisitzer), wird sie vom Arbeitsgericht aufgrund eines Antrags des Arbeitgebers oder des Betriebsrats errichtet. In dem Antrag sind unter anderem der streitige Regelungsgegenstand und das Scheitern der Verhandlungen darzustellen. Die Person des Vorsitzenden sowie die Anzahl der Beisitzer sind von dem Antragssteller zu benennen.
Das durch den Antrag eingeleitete Beschlussverfahren ist in § 100 ArbGG geregelt. Der Vorsitzender Richter entscheidet allein. Die Einlassungs- und Ladungsfristen betragen nur 48 Stunden. Das Errichtungsverfahren ist insgesamt ein beschleunigtes Verfahren, bei dem der Beschluss des Arbeitsgerichts den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Antrags zugestellt werden soll.
Keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle
Nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG hat das Arbeitsgericht bei der Entscheidung über die Errichtung der Einigungsstelle nur zu überprüfen, ob die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. „Offensichtlich“ ist sie unzuständig, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Arbeitsgericht auf den ersten Blick erkennbar ist, dass eine Zuständigkeit des Betriebsrats in dieser Reglungsangelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt. „Offensichtlich“ heißt dabei klar erkennbar. Zweifel an der fehlenden Zuständigkeit genügen nicht, um die Errichtung der Einigungsstelle abzulehnen. Voraussetzung hierfür ist vielmehr eine klare und eindeutige Rechtslage, die eine Einigungsstelleneinsetzung von vornherein sinnlos erscheinen lässt. Die Einigungsstelle ist z.B. nicht offensichtlich unzuständig, wenn in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, und die Rechtsfrage vom Bundesarbeitsgericht noch nicht geklärt ist. Eine offensichtliche Unzuständigkeit liegt nur dann vor, wenn für das Arbeitsgericht sofort erkennbar ist, dass z.B. ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates, das zur zwingenden Errichtung der Einigungsstelle führt, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt. Im Zweifel hat die Einigungsstelle nach ihrer Errichtung über die Zuständigkeit zu entscheiden.
Entscheidung des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht entscheidet über die Größe der Einigungsstelle bzw. die Anzahl der Beisitzer, hat aber keine Entscheidungskompetenz in Bezug auf die Auswahl der Beisitzer. Für die gerichtliche Beurteilung über die Größe der Einigungsstelle sind Größe und Art des Betriebs, die Komplexität des Regelungsgegenstandes und zum Beispiel die für die Verhandlung des Regelungsgegenstands notwendigen Fachkenntnisse maßgeblich. Zwei Beisitzer auf jeder Seite sind der Regelfall, bei komplexeren Angelegenheiten werden in der arbeitsgerichtlichen Praxis auch drei Beisitzer für angemessen gehalten.
Bei der Bestellung des Vorsitzenden hat das Arbeitsgericht das Gebot der Unparteilichkeit zu berücksichtigen (§ 76 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Ob und unter welchen Voraussetzungen das Arbeitsgericht bei der Bestellung des Vorsitzenden an die Anträge der Parteien gebunden ist, ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass das Ermessen des Arbeitsgerichts bei der Bestellung des Vorsitzenden eingeschränkt ist. Teilweise wird auch vertreten, dass das Arbeitsgericht im Falle der begründeten und nachvollziehbaren Ablehnung des durch den Antragsteller vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden durch den Antragsgegner eine dritte Person als Vorsitzenden zu bestellen ist.
Rechtsmittel gegen die Entscheidung
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt (§ 100 Abs. 2 S. 1 ArbGG). Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Sie hat aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass die Einigungsstelle während des Rechtsmittelverfahrens nicht errichtet ist und nicht tätig werden kann. Der zweitinstanzliche Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbar.