Der wachsende Fachkräftemangel und die Verbreitung der mobilen Tätigkeit sorgen für eine steigende Nachfrage des Beschäftigungsmodells des Employer of Record. Genau deshalb ist es für Unternehmen empfehlenswert, ein gewisses Know-How zu entwickeln. Der Einsatz eines Employer of Record stellt zwar für inländische Unternehmen eine kostengünstige, schnelle und unbürokratische Chance dar, Projekte von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern durchführen zu lassen. Jedoch birgt dieses Beschäftigungsmodell das Risiko einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und den damit verbundenen Folgen nach dem AÜG.
Was ist ein Employer of Record?
Ein Employer of Record übernimmt als Arbeitgeber die Einstellung von Arbeitnehmern im Auftrag eines Unternehmens und überlässt diese anschließend an das jeweilige Unternehmen. Es handelt sich in der Regel um eine „grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung“.
Geht man von der Grundkonstellation aus, dass der Employer of Record und der Arbeitnehmer im Ausland sitzen, gilt Folgendes: Der Employer of Record fungiert im Ausland als Arbeitgeber und stellt dort einen Arbeitnehmer im Auftrag des inländischen Unternehmens ein und verleiht diesen daraufhin an das inländische Unternehmen. Der Employer of Record ist lediglich „Arbeitgeber auf dem Papier“ und sorgt nur für „Compliance des Arbeitsverhältnisses“. Dies bedeutet konkret, dass er zum Beispiel für die Abführung von Steuern- und Sozialversicherungsbeiträgen, die Lohnabrechnung und die Gehaltsauszahlung sorgt. Das Weisungsrecht überträgt der Employer of Record dagegen auf das inländische Unternehmen. Das inländische Unternehmen erhält daraufhin als Entleiher die Arbeitsleistung des im Ausland beschäftigten Arbeitnehmers.
Welches Recht ist anwendbar? Gelten die Vorschriften des AÜG?
Bei der oben genannten Grundkonstellation ist ausländisches Recht anwendbar. Das AÜG und die damit verbundenen Folgen sind insofern nicht anwendbar. Grund dafür ist, dass der Employer of Record seinen Sitz im Ausland hat und der Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland beschäftigt wird und seine Arbeitsleistung dort erbringt. Allerdings sollte der Entleiher auch in dieser Konstellation Kenntnis des ausländischen Rechts haben, um Verstöße zu vermeiden.
Entscheidung des BAG vom 26. April 2022
Für Verwunderung sorgte der neunte Senat des BAG mit seiner Entscheidung vom 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 und setzte sich damit einer Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2016 entgegen. Was war passiert? Ein Unternehmen in Frankreich stellte eine Arbeitnehmerin auf der Grundlage eines französischen Arbeitsvertrages ein. Anschließend verlieh das Unternehmen in Frankreich die Arbeitnehmerin an ein Unternehmen in Deutschland. Wohnort der Arbeitnehmerin war Frankreich. Im Gegensatz zur oben genannten Konstellation wurde die Arbeitnehmerin 1 ½ Jahre in Deutschland tätig. Das Unternehmen in Frankreich besaß allerdings keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach dem AÜG. Die Arbeitnehmerin klagte deshalb auf Feststellung, dass zwischen ihr und dem Unternehmen in Deutschland ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Das BAG lehnte die Feststellung ab, weil die Fiktionsvorschriften §§ 9, 10 AÜG in diesem konkreten Fall keine Anwendung finden würden. Begründet hat das BAG diese Entscheidung damit, dass konkludent französisches Recht vereinbart worden sei und die Arbeitnehmerin nur vorübergehend in Deutschland tätig wurde. Ersteres sei insbesondere deshalb anzunehmen, da die Arbeitnehmerin ihren Wohnort in Frankreich habe und ihre Abgaben in Frankreich abführte. Ein fiktives Arbeitsverhältnis zum Entleiher könne nicht entstehen, wenn bereits ein wirksames französisches Arbeitsverhältnis besteht, das dem französischen Recht unterliegt.
Folgen der Entscheidung
Die Entscheidung des BAG hat zur Folge, dass ein fiktives Arbeitsverhältnis zum Entleiher nicht entsteht und der Entleiher rückwirkend nicht für Sozialversicherungsbeiträge haftet. Die Entscheidung des BAG aus 2022 steht damit allerdings in Divergenz zu der Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2016. Insbesondere stellt sich die Frage, ob das BAG so entscheiden hätte dürfen. Unklar bleibt auch, wo die Grenze einer vorübergehenden Tätigkeit in Deutschland liegt. Diese dürfte laut BAG zumindest bei 1 ½ Jahren liegen.
Zu beachten ist allerdings, dass trotz vermeintlicher Unanwendbarkeit der Vorschriften §§ 9, 10 AÜG nach der Auffassung des BAG weiterhin §§ 1, 16 AÜG anwendbar bleiben. Dies bedeutet, dass auch in einer solchen Konstellation weiterhin eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG erforderlich ist und bei deren Fehlen auch die Bußgelder nach § 16 AÜG verhängt werden können. Zudem ist nicht auszuschließen, dass das BSG in einer ähnlichen Konstellation an seiner Rechtsprechung von 2016 festhält und erhebliche Nachforderungen der Sozialversicherungsträger zur Folge haben kann. Daher sorgt die Entscheidung des BAG nur teilweise für Rechtssicherheit bei inländischen Entleihern.
Fazit:
Der Einsatz eines Employer of Record stellt zugleich eine Chance als auch ein Risiko für inländische Unternehmen dar. Insbesondere ist das Beschäftigungsmodell aufgrund der Flexibilisierung durchaus positiv einzuordnen. Allerdings besteht bei einer auch nur vorübergehenden Tätigkeit in Deutschland weiterhin das Risiko einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung mit der Folge eines Bußgeldes für den Entleiher sowie erhebliche Nachforderungen durch die Sozialversicherungsträger.