Überschreiten die Personalabbauzahlen den in § 17 Abs. 1 KSchG enthaltenen maßgeblichen Schwellenwert, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass neben dem Versuch eines Interessenausgleichs auch ein Sozialplan abgeschlossen werden muss. Das Betriebsverfassungsgesetz differenziert zwischen den beiden Beteiligungstatbeständen.
Vorliegen einer Betriebsänderung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) geht seit langem davon aus, dass ein Personalabbau in Abhängigkeit von seiner Größe als Einschränkung eines Betriebs i.S.v. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG anzusehen ist. Für die Beurteilung greift das BAG auf die Zahlen- und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG zurück (vgl. z.B. BAG v. 17.03.2016 – 2 AZR 182/15). So müssen z.B. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 Prozent der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer entlassen werden. In Betrieben mit mehr als 600 Arbeitnehmern führt ein bloßer Personalabbau nach dem BAG erst dann zu einer Betriebsänderung, wenn er mindestens 5 Prozent der Gesamtbelegschaft betrifft (vgl. BAG v. 02.08.1983 – 1 AZR 516/81).
Der in § 17 Abs. 1 KSchG enthaltene und für die Massenentlassungsanzeige relevante Zeitraum von 30 Kalendertagen spielt bei der Beurteilung des Vorliegens einer Betriebsänderung keine Rolle. Beruht ein in zeitlichen Abständen durchgeführter Personalabbau auf einer einheitlichen Planung des Unternehmens, sind die einzelnen Personalabbauzahlen zu addieren.
Interessenausgleich und Sozialplan: Getrennte Beurteilung erforderlich
Ein Interessenausgleich muss bei einer Betriebsänderung zwischen den Betriebsparteien nur versucht, ein Sozialplan muss dagegen grundsätzlich abgeschlossen werden. Von der Verpflichtung zum Abschluss eines Sozialplans gibt es Ausnahmen.
Betriebsänderung „allein“ in Form der Entlassung von Arbeitnehmern
§ 112a Abs. 1 BetrVG enthält eine Sonderregelung für die Pflicht, bei einem Personalabbau einen Sozialplan abzuschließen. Die in § 112a BetrVG enthaltenen Schwellenwerte weichen dabei von den in § 17 Abs. 1 KSchG enthaltenen Schwellenwerten ab und schränken die Pflicht zum Abschluss eines Sozialplans in Fällen des Personalabbaus ein; sie sind höher als die in § 17 Abs. 1 KSchG enthaltenen Schwellenwerte. So müssen z.B. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 250 Arbeitnehmern 20% der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 37 Arbeitnehmer, in Betrieben mit in der Regel mindestens 250 und weniger als 500 Arbeitnehmern 15% der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder mindestens 60 Arbeitnehmer entlassen werden. Als Entlassung aus betriebsbedingten Gründen gilt gem. § 112a Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausdrücklich auch das vom Arbeitgeber veranlasste Ausscheiden von Mitarbeitenden auf Grund von Aufhebungsverträgen.
Für die Anwendung der in § 112a BetrVG enthaltenen höheren Schwellenwerte ist Voraussetzung, dass die geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 „allein in der Entlassung“ von Arbeitnehmern besteht. Die Vorschrift des § 112a BetrVG kommt daher nur zur Anwendung, wenn das Unternehmen eine Maßnahme plant und nur der Personalabbau als Teil dieser Maßnahme den Begriff der Betriebsänderung erfüllt, ansonsten aber kein weiterer Teil der geplanten Maßnahme oder die einzelnen Teile der Maßnahme zusammen betrachtet als Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG anzusehen sind (vgl. z.B. BAG v. 28.03.2006 – 1 ABR 5/05). Die Betriebsänderung darf somit nur im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vorliegen.
Reduziert ein Unternehmen zum Beispiel Personal und passt es seine Organisationsstrukturen an, kann – aber muss nicht – eine Betriebsänderung in Form einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG vorliegen. Ist das der Fall, ist die Anwendung von § 112a BetrVG ausgeschlossen.
Sozialplanprivileg bei Neugründungen
Die Pflicht zum Abschluss eines Sozialplans findet nach § 112a Abs. 2 BetrVG ebenfalls keine Anwendung auf Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach seiner Gründung. Hiervon gilt wiederum eine Ausnahme bei Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen.
Der maßgebliche Zeitpunkt der Gründung ist dabei nicht gleichzusetzen mit der Gründung der Gesellschaft oder deren Eintragung im Handelsregister, sondern meint den Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (nach außen), die nach § 138 AO dem Finanzamt mitzuteilen ist (vgl. § 112a Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Das Sozialplanprivileg greift daher insbesondere auch dann ein, wenn z.B. eine GmbH als sog. Vorratsgesellschaft bereits länger existiert hat, ohne unternehmerisch tätig gewesen zu sein.
Freiwilliger Sozialplan bleibt möglich
Liegt trotz einer Betriebsänderung keine Sozialplanpflicht vor, bleibt der Abschluss eines freiwilligen Sozialplans gleichwohl möglich. Ob ein Arbeitgeber dem Betriebsrat das Angebot zum Abschluss eines freiwilligen Sozialplans macht, sollte unter Berücksichtigung verschiedener Umstände abgewogen werden. Freiwillige Sozialpläne sind insbesondere dann sinnvoll, wenn die Betriebsänderung zügig umgesetzt werden und der Betriebsrat den Personalabbau unterstützen soll.