Nach dem Nachweisgesetz müssen Arbeitgeber Arbeitnehmer zu Beginn des Arbeitsverhältnisses formgemäß über die wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichten. Nachdem diese Nachweispflicht lange ein Schattendasein geführt hatte, ist das Nachweisgesetz seit August 2022 stärker in den Fokus von Arbeitgebern und Personalabteilungen gerückt. Denn mit den verschärften Nachweisanforderungen aufgrund der europäischen Transparenzrichtlinie (RL 2019/1152) wurden auch erstmalig Bußgelder in Höhe von EUR 2.000,00 je Einzelfall bei Verstößen gegen die Nachweispflicht eingeführt.
Darüber hinaus können sich Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz schadensersatzpflichtig machen, wie eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2022 (Az. 8 AZR 4/21) verdeutlicht.
Was war passiert?
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte ein Küster von seiner ehemaligen Arbeitgeberin – einer Kirchengemeinde – eine ausstehende Vergütung aufgrund einer fehlerhaften Eingruppierung klageweise geltend gemacht. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag nahm auf die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO), die eine sechsmonatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen vorsieht, in der jeweils geltenden Fassung Bezug. Da der Kläger die Vergütungsansprüche nicht innerhalb dieser Ausschlussfrist geltend gemacht hatte, lehnte die Beklagte eine nachträgliche mehrjährige Zahlung ab. Der Kläger vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Beklagte zum Schadensersatz in Höhe der Differenzvergütung verpflichtet war, da sie ihn nicht rechtzeitig auf die Ausschlussfrist hingewiesen hatte.
Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht dieser nur zu einem geringen Teil stattgegeben hatte, legte der Kläger Revision ein.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass dem Arbeitnehmer kein Schadensersatzanspruch aufgrund der verfallenen Vergütungsansprüche zustand. Die Revision blieb ohne Erfolg.
In der Entscheidungsbegründung stellte das Bundesarbeitsgericht zwar zunächst fest, dass einem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zustehen kann, sofern der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht nach dem Nachweisgesetz nicht nachkommt und dies dazu führt, dass der Arbeitnehmer in Unkenntnis der Ausschlussfrist Ansprüche nicht rechtzeitig geltend macht. In einem solchen Fall gelte grundsätzlich die Vermutung, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, sofern er auf diese hingewiesen worden wäre.
Dem Bundesarbeitsgericht zufolge entbindet diese Vermutungsregel den Kläger indes nicht von der Pflicht, die Kausalität zwischen der Nachweispflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden zu beweisen. In dem konkreten Fall scheiterte die Klage letztlich hieran, da der Kläger vorgetragen hatte, die fehlerhafte Eingruppierung jahrelang nicht bemerkt zu haben. Der Kläger hätte demnach selbst in Kenntnis der Ausschlussfrist den Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht. Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts war der Verstoß gegen das Nachweisgesetz für den Verfall der Vergütungsansprüche nicht ursächlich.
Fazit
Ungeachtet des für die Arbeitgeberin positiven Ausgangs des Verfahrens verdeutlicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die grundsätzlichen Risiken, die mit einer unzureichenden Unterrichtung über die wesentlichen Arbeitsbedingungen gemäß § 2 Nachweisgesetz einhergehen. Verletzen Arbeitgeber die ihnen nach dem Nachweisgesetz obliegende Nachweispflicht, so droht ihnen nicht nur ein Bußgeld in Höhe von EUR 2.000,00 je Einzelfall, sondern sie können sich darüber hinaus schadensersatzpflichtig machen. Dem Bundesarbeitsgericht zufolge müssen Arbeitgeber, die ihren Nachweispflichten nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nachweisgesetz nicht, nicht rechtzeitig oder nur unzureichend nachkommen, Arbeitnehmern den hierdurch adäquat-verursachten Schaden ersetzen.
Sofern dies nicht bereits im Zusammenhang mit der Neufassung des Nachweisgesetzes zum 1. August 2022 geschehen ist, sollten Arbeitgeber daher die von ihnen verwendeten Arbeitsvertragsmuster dringend darauf überprüfen, ob diese den Anforderungen des Nachweisgesetzes genügen.