Kündigt der Arbeitgeber, muss er den Zugang der Kündigung im Streitfall beweisen können. Der Nachweis betrifft nicht nur den Zugang als solchen, sondern auch den oftmals wichtigen Zeitpunkt des Zugangs. Bei einer fristlosen Kündigung muss z.B. der Zugang innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) erfolgen. Reicht es für den vom Unternehmen zu erbringenden Beweis aus, wenn die Kündigung per Einwurfeinschreiben zugestellt wird?
Der sicherste Nachweis für den Zugang der Kündigung ist ihre persönliche Übergabe durch einen Zeugen. Anstelle der persönlichen Übergabe kann der Beweis erbracht werden, indem der Zeuge die Kündigung liest (unter Beachtung des Datenschutzrechts) und diese anschließend in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwirft. Empfehlenswert ist es dann, auf einer Kopie der Kündigung den Zustellvorgang handschriftlich festzuhalten.
Bei dem Übergabe-Einschreiben und Einschreiben mit Rückschein besteht das Risiko, dass der Arbeitnehmer von dem Zusteller nicht angetroffen wird, sodass die Kündigung erst dann zugeht, wenn er das Einschreiben bei der Post abholt. Die verbleibende Möglichkeit der Zustellung durch Gerichtsvollzieher (§ 132 Abs. 1 BGB) ist in der Regel auch nicht schnell genug. Der Arbeitgeber hat keinen Einfluss auf den genauen Zeitpunkt der Zustellung. Die öffentliche Zustellung nach § 132 Abs. 2 BGB ist mit erheblichen Anforderungen verbunden.
Einwurf-Einschreiben als Lösung?
Bei der Zustellung der Kündigung mittels Einwurf-Einschreiben wird ein Einlieferungsbeleg mit einer Sendungsnummer erstellt. Der Einlieferungsbeleg ist der Nachweis, dass die Erklärung dem Zusteller übergeben wurde. Unmittelbar vor dem Einwurf scannt der Zusteller den Barcode des „Peel-off-Labels“, das zur Identifizierung der Sendung dient, von dieser ab, und klebt es auf den Auslieferungsbeleg. Die Kündigung wird dann in Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen. Danach bestätigt der Zusteller mit seiner Unterschrift den Zeitpunkt der Zustellung auf dem Auslieferungsbeleg. Mit dem Einwurf in den Briefkasten gilt das Schreiben als zugegangen, auch wenn der Arbeitnehmer es später entnimmt.
Beweis des ersten Anscheins
Der Bundesgerichtshof (v. 27.09.2016 – II ZR 299/15) hat schon früher die Ansicht vertreten, dass bei einem Einwurf-Einschreiben mit Auslieferungsbeleg, bei dem die Unterschrift des Zustellers vorliegt, ein Beweis des ersten Anscheins für den Zugang der Kündigung bei dem Arbeitnehmer vorliegt. Dieser Rechtsprechung sind nun verschiedene Landesarbeitsgerichte gefolgt (LAG Schleswig-Holstein v. 18.01.2022 – 1 Sa 159/21; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 12.03.2019 – 2 Sa 139/18; LAG Baden-Württemberg v. 28.07.2021 – 4 Sa 68/20). Der Einlieferungsbeleg enthalte eine Sendungsnummer, das Einlieferungsdatum und den Namen des Arbeitnehmers als Sendungsempfänger. Auf dem Auslieferungsbeleg tauche dieselbe Sendungsnummer wie bei der Einlieferung auf. Er enthalte zudem die handschriftliche Unterzeichnung durch den Zusteller mit dem Datum der Auslieferung. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung und des typischen Geschehensablaufs bei diesem Vorgehen ist es dann entbehrlich, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten Geschehens nachzuweisen.
Achtung – noch nicht final geklärt
Die Rechtslage ist derzeit aber noch umstritten. Nicht alle Arbeitsgerichte folgen der Ansicht, dass bei dem Vorliegen eines Einlieferungs- und Auslieferungsbeleges ein Beweis des ersten Anscheins vorliegt (ablehnend z.B. LAG Rheinland-Pfalz v. 17.09.2019 – 8 Sa 57/19; ArbG Düsseldorf v. 22.02.2019 – 14 Ca 465/19). Der Anscheinsbeweis kann zudem widerlegt werden. Das ist aber nicht möglich durch die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe das Einwurfeinschreiben nie erhalten.
Sendungsstatus ist nicht ausreichend
Eine Unterscheidung ist erforderlich zwischen dem oben geschilderten Verfahren des Einwurfeinschreibens und Fällen, in denen nur ein „Sendungsstatus“ vorliegt. Dieser Sendungsstatus genügt nicht, um einen Anscheinsbeweis anzunehmen. Aus dem Sendungsstatus geht weder der Name des Zustellers hervor, noch beinhaltet er eine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers, mit der dieser beurkundet, die Sendung eingeworfen zu haben. Die bloße Kenntnis von dem Sendungsstatus reicht daher nicht aus, um einen Anscheinsbeweis anzunehmen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Bundesarbeitsgericht äußern wird. Bis dahin bleibt die persönliche Zustellung durch einen Zeugen die rechtssicherste Vorgehensweise.