Das Recht des Arbeitnehmers, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach einem Betriebsübergang auch nach mehreren Jahren noch zu widersprechen, kann im Einzelfall verwirkt sein – so das BAG in seinem Urteil vom 22.7.2021 – 2 AZR 6/21.
Was war passiert?
Der Arbeitgeber unterrichte einen Arbeitnehmer im Mai 2011 schriftlich darüber, dass sein Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsteilübergangs auf einen neuen Arbeitgeber übergehen werde und das ihm ein Recht zum Widerspruch zustehe. Nach der Bekanntgabe der Insolvenz des neuen Arbeitgebers widersprach ein Arbeitnehmer im Juni 2019 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses.
Der Arbeitnehmer machte geltend, dass sein Widerspruchsrecht nicht verfristet gewesen sei und sich der Arbeitgeber nicht auf Verwirkung berufen könne. Das Unterrichtungsschreiben habe die einmonatige Widerspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt, weil damals nur mangelhaft über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs unterrichtet wurde. Mit seiner Klage auf Bestehen eines Arbeitsverhältnisses war der Arbeitnehmer erst- und zweitinstanzlich erfolglos.
Laut BAG Widerspruchsrecht verwirkt
Das BAG gab dem Arbeitgeber recht. Es betont zunächst den Zugang des Unterrichtungsschreibens als maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist. Entspricht der Inhalt des Schreibens nicht den im Gesetz gestellten Anforderungen, beginnt die Monatsfrist – so laut BAG – nicht zu laufen und ein Widerspruch ist sogar noch Jahre nach dem Betriebsübergang möglich. Da die Unterrichtung fehlerhaft war, sei ein Widerspruch daher grundsätzlich weiterhin möglich. Das BAG kam gleichwohl zu dem Ergebnis, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers ausnahmsweise verwirkt und seine Ausübung treuwidrig war.
Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass der Betriebsübergang bereits acht Jahre zurückliegt (Zeitmoment). In diesem Zeitraum brachte der Arbeitnehmer auch nicht zum Ausdruck, dass er noch widersprechen werde (Umstandsmoment). Dabei betont das BAG, dass sich die Verwirkung nicht anhand von starren Fristen feststellen lässt. Es gebe keine Höchst- oder Mindestfrist für die Verwirkung. Selbst bei einer längeren Frist genüge nicht der bloße Zeitablauf. Es müsse daher immer ein Umstandsmoment hinzutreten. Je mehr Zeit seit dem Betriebsübergang verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer bereits für den neuen Inhaber gearbeitet hat, desto geringer seien die Anforderungen an das Umstandsmoment. Entscheidend seien stets die konkreten Umstände des Einzelfalls. Der Arbeitnehmer müsse in einer Weise untätig geblieben sein, die beim früheren Arbeitgeber den Eindruck erwecke, dass der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen wolle, wonach sich der frühere Arbeitgeber darauf einstellen dürfe, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Fazit
Das BAG stellt klar heraus, dass das Widerspruchsrecht im Einzelfall verwirkt sein kann, wenn der Widerspruch treuwidrig ist. Die Entscheidung des BAG verdeutlicht daher, dass das Widerspruchsrecht nicht grenzenlos ist. Arbeitgebern gibt diese besonders begrüßenswerte Entscheidung daher etwas Erleichterung.